Wundersame Geld-Vermehrung: Warum der deutsche Computerspiele-Umsatz im Jahr 2018 auf 4,4 Milliarden Euro förmlich explodiert ist.
Die deutsche Games-Geschichte muss neu geschrieben werden: Statt der bislang kommunizierten 3,4 Milliarden Euro wurden 2017 ziemlich genau 4 Milliarden Euro mit Computer-Spielen und Spiele-Hardware umgesetzt. Der Vorjahreswert wurde also nachträglich nach oben korrigiert. Im Jahr 2018 sind daraus satte 4,367 Milliarden Euro geworden, ein Plus von knapp 9 Prozent.
Das hat heute der Industrieverband Game bekannt gegeben und beruft sich auf Erhebungen von GfK, GfK Entertainment und – ganz neu – App Annie.
Marktforscher App Annie hat sich auf die Analyse der Appstores spezialisiert und offenkundig nochmal genau nachgerechnet, und zwar für die Jahre 2017 und 2018. Die neue Methodik im Teilsegment „Mobilegames“ hievt den deutschen Gesamtmarkt auf die erwähnten 4,4 Milliarden Euro – und das, obwohl deutlich weniger Geld mit PC- und Konsolenspielen sowie Hardware verdient wurde.
Überkompensiert wird das Minus nämlich durch die Hebelwirkung des Free2play-Modells: Online- und Mobilegames wie „Fortnite“, „Clash Royale“ oder „Forge of Empires“ sind grundsätzlich kostenlos spielbar. Die Einstiegshürden sind also denkbar niedrig. Für Deko-Elemente, Komfortfunktionen, Inhalts-Pakete (dazu zählt der „Fortnite“-Battlepass) und die umstrittenen Beuteboxen („Lootboxen“) kann / muss / soll / darf der Spieler Geld ausgeben.
Über die Hälfte des deutschen Spiele-Umsatzes 2018 wurde allein mit derartigen Ingame-Käufen erwirtschaftet. Von jedem Euro, der mit Games-Software in Deutschland verdient wird, entfallen 55 Cent auf Ingame-Käufe. Die Geschäfte mit Gratis-Games sowie kostenpflichtigen Zusatzinhalten von Vollpreis-Titeln wie „FIFA 19“ laufen also prächtig. Durch immer neue Updates verlängert sich die Lebens- und Vermarktungsdauer von Computerspielen dramatisch: Viele Titel sind seit über einem Jahrzehnt auf dem Markt und erwirtschaften spektakuläre Margen.
Offen bleibt, wie sich das Marktwachstum durch Ingame-Käufe und Abo-Gebühren auf die Situation der deutschen Spiele-Entwickler und -Publisher auswirkt. Zu den Marktanteilen der hiesigen Hersteller macht der Branchenverband zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben.
Games-Umsatz 2018 in Deutschland: Plus bei Ingame-Käufen, Minus bei Hardware
Die Marktsegmente im Detail:
Ingame-Käufe: 1,95 Mrd. Euro (+428 Mio. Euro)
Für das Jahr 2017 wurden virtuelle Güter und Zusatz-Inhalte noch unter der Überschrift „Mikrotransaktionen“ ausgewiesen. Der Wert lag bei 844 Mio. Euro. Jetzt hat der Branchenverband den Datendienstleister ausgetauscht, der die Zahlen im Mobilegames-Segment erhebt. Zusammen mit den Ingame-Käufen in PC- und Konsolenspielen ergibt sich für das Gesamtjahr 2018 ein Rekord-Umsatz von fast zwei Milliarden Euro.
Spiele-Kauf: 1,08 Mrd. Euro (-117 Mio. Euro)
Um rund 10 Prozent sind die Einnahmen mit Spiele-Software zurückgegangen – nur knapp konnte die Umsatzmilliarde gehalten werden. Heißt: Die Deutschen geben erneut deutlich weniger Geld für klassische PC- und Konsolenspiele auf Datenträgern und via Download aus. Spiele zum Festpreis sind noch weit vom Auslaufmodell entfernt, doch Free2play und Flatrates nagen an den Marktanteilen.
Hardware: 859 Mio. Euro (-79 Mio. Euro)
Stationäre und tragbare Spielkonsolen waren 2018 weniger gefragt als 2017 – das Jahr, als die Nintendo Switch auf den Markt kam. In den rückläufigen Zahlen macht sich bemerkbar, dass PlayStation 4 und Xbox One allmählich in die Jahre kommen: Beide Systeme sind seit über fünf Jahren auf dem Markt. Zum Hardware-Segment gehört auch Zubehör, etwa Gamepads.
Abonnement: 125 Mio. Euro (-41 Mio. Euro)
Nur noch ganz wenige Online-Spiele setzen auf monatliche Abogebühren – immer mehr Titel stellen auf das Free2play-Modell um, zuletzt „Albion Online“ vom Berliner Studio Sandbox Interactive. Nahezu alle Neuheiten sind grundsätzlich kostenlos spielbar. Die Folge: Der Abo-Umsatz sinkt erneut um ein Viertel.
Gebühren für Online-Dienste: 353 Mio. Euro (+174 Mio. Euro)
Eine Mitgliedschaft bei PlayStation Plus und Xbox Live Gold ist zwangsläufige Voraussetzung, will man als Konsolen-Besitzer die Online- und Multiplayer-Funktionen eines Spiels nutzen. Zusammen mit einer Vielzahl immer neuer Abo-Angebote, Streaming- und Cloud-Dienste und Flatrates (Xbox Game Pass, PlayStation Now, Origin Access) ergibt sich eine glatte Verdoppelung dieses Segments auf nunmehr 353 Mio. Euro. Dieser Teilbereich dürfte 2019 weiter stark zulegen: Für den Herbst hat Google die neue Streaming-Plattform Stadia angekündigt – Apple will parallel mit Apple Arcade eine Flatrate für Premium-Mobilegames anbieten.