Bundesamt für Umwelt
In der Schweiz fallen jährlich 2,6 Mio. Tonnen Lebensmittelverluste (Frischsubstanz) an. Zwei Drittel davon sind vermeidbare Verluste, das heisst, die Lebensmittel wären zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung und bei rechtzeitiger Verwendung geniessbar. Pro Person gehen in der Schweiz somit jedes Jahr rund 190 kg geniessbare Lebensmittel verloren: von der Verarbeitung direkt nach der Ernte über die Lieferkette bis hin zum Detailhandel und schliesslich den Haushalten als Konsumenten.
- Lebensmittelverluste vom Acker bis auf den Teller ermittelt
- Landwirtschaft
- Lebensmittelindustrie
- Detailhandel
- Gastronomie
- Privater Konsum der Haushalte
- Auswirkungen von Food Waste auf die Umwelt
- Der Weg zu weniger Food Waste
Ernährung trägt mit einem Anteil von 28% bedeutend zur Gesamtumweltbelastung in der Schweiz bei. Das stellt auch der Bericht «Umwelt Schweiz 2018» des Bundesrates fest. Wenn Lebensmittel hergestellt aber nicht konsumiert werden, führt dies zu unnötigen CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust und Land- und Wasserverbrauch. Nebst den ökologischen Folgen, hat der Food Waste auch weitreichende ökonomische Konsequenzen. Weggeworfene Lebensmittel verursachen überall entlang der Produktions- und Vermarktungskette (Wertschöpfungskette) Kosten, was sich in den Endpreisen der in der Schweiz konsumierten Lebensmittel spiegelt.
Die Schweiz hat sich politisch verpflichtet, bis 2030 die Nahrungsmittelverluste, den sogenannten Food Waste, zu vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in einem ersten Schritt die Lebensmittelverluste entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchleuchtet.
Lebensmittelverluste vom Acker bis auf den Teller ermittelt
Seit 2013 erhebt das BAFU in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft,
der Lebensmittelindustrie, der Gastronomie, dem Detailhandel und den
Haushalten Daten über Lebensmittelabfälle. In den fünf Studien werden
sämtliche Lebensmittel ermittelt, die entlang der Wertschöpfungskette
vom Acker bis auf den Teller verloren gehen oder weggeworfen werden. Die
Zahlen publiziert das BAFU sowohl in Tonnen Frischsubstanz als auch in
Tonnen Trockensubstanz.
Weitere Lebensmittelabfälle entstehen bei Nahrungsmitteln, die im
Ausland für den Schweizer Konsum produziert und verarbeitet werden.
Diese wurden in den vorliegenden Studien nicht erfasst.
Die Analysen zeigen, dass von den 1.7 Mio. Tonnen vermeidbaren Lebensmittelverlusten rund 43% in der Lebensmittelindustrie und 28% in privaten Haushalten anfallen.
Die Daten liefern nicht nur ein umfassendes Bild über die Mengen der vermeidbaren und unvermeidbaren Lebensmittelverlusten in sämtlichen Sektoren, sondern auch über deren Entsorgung. So wird von den total 2.6 Mio. Tonnen Lebensmittelverlusten rund die Hälfte stofflich zu Recyclingdünger und Bodenverbesserern weiterverarbeitet oder energetisch als Biogas verwertet. 31% wird als Tierfutter verarbeitet und rund 21% in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) thermisch verwertet (der Abfall wird verbrannt und die freigesetzte Energie genutzt). Ein kleiner Teil noch geniessbarer Lebensmittel wird gespendet.
Weiter geben die Analysen Aufschluss über mögliche Ursachen und die Möglichkeiten Food Waste zu vermeiden. In den folgenden fünf Abschnitten werden die Studien zu den einzelnen Sektoren kurz zusammengefasst. Die Studien können über den jeweiligen Link am Ende des Abschnitts heruntergeladen werden.
Nach Verwertungsweg | Thermische Verwertung (KVA) | Stofflich‐ energetische Verwertung | Tierfutter | Gespendet | Total |
---|---|---|---|---|---|
Landwirtschaft | 2’000 | 173’000 | 49’500 | 224’500 | |
Lebensmittelindustrie | 28’500 | 190’000 | 722’000 | 9’500 | 950’000 |
Detailhandel | 3’000 | 84’000 | 8’000 | 5’000 | 100’000 |
Gastronomie | 29’000 | 255’000 | 4’350 | 1’450 | 290’000 |
Haushalte | 480’000 | 520’000 | 1’000’000 | ||
Total | 542’500 | 1’222’000 | 783’850 | 15’950 | 2’564’500 |
Gesamtmenge Lebensmittelabfälle in der Schweiz aus der Entsorgungsperspektive
(Zahlenangaben in Tonnen Frischsubstanz)
Landwirtschaft
Von den durch die Schweizer Landwirtschaft für den Menschen produzierten Nahrungsmitteln werden fast 225 000 Tonnen Frischsubstanz nicht ihrem eigentlichen Zweck zugeführt und enden als Lebensmittelverluste. Davon sind etwa 173 000 Tonnen Ernterückstände, die unmittelbar oder nach Vergärung als Dünger oder Bodenverbesserer auf den Feldern ausgebracht werden. Weitere 49 500 Tonnen sind Ernterückstände oder Ernteausschuss, die an Tiere verfüttert werden und damit im Kreislauf der Nahrungsmittelproduktion erhalten bleiben. Rund 1 Prozent der Abfälle (rund 2 000 Tonnen) werden in KVA thermisch verwertet. Insgesamt liessen sich rund 90 Prozent der Lebensmittelverluste in der Landwirtschaft (200 000 Tonnen) vermeiden.
Diese Lebensmittelverluste fallen vor allem aufgrund geltender Industrienormen nachgelagerter Branchen sowie technischer Bedingungen und unzweckmässiger Lagerung an. Rechnet man die Warenkosten und geht vom gängigen Wert von 3.00 Franken pro Kilo aus, entsteht der Landwirtschaft durch die vermeidbaren Lebensmittelabfälle ein Schaden von rund 600 Millionen Franken pro Jahr.
Lebensmittelindustrie
Über alle Branchen der Lebensmittelindustrie betrachtet fallen Lebensmittelverluste von rund 950 000 Tonnen an. Davon ist rund ein Viertel unvermeidbar. Dies sind nicht geniessbare Bestandteile bzw. essbare Speisereste ohne Konsumentennachfrage, wie beispielsweise Schälabfälle oder Knochen. Die Menge vermeidbarer Lebensmittelabfälle beläuft sich auf rund 715 000 Tonnen. Diese Daten wurden in einer Studie mittels einer Massenflussanalyse ermittelt, welche die Verluste nach Branchen aufschlüsselt. Dabei stellt sich heraus, dass in der knollenverarbeitenden Industrie (z.B. Kartoffeln) mit rund 388’000 Tonnen die höchste Verlustmenge anfällt. Dort ist aber auch der Anteil an nicht geniessbaren Bestandteilen mit knapp 70 Prozent am höchsten. Die geringste Verlustmenge findet sich mit gut 43‘000 Tonnen in der Getreide- und Backwarenbranche.
Die zwei Hauptgründe für die Verluste sind:
- Der fehlende Absatzmarkt für Nebenprodukte, wie zum Beispiel Kleie.
- Der Stand der Technik: Diese Lebensmittelabfälle sind zwar geniessbar, aber nach aktuellem Stand der Technik nicht vermeidbar.
Der grösste Anteil der anfallenden Verluste (rund 75 Prozent) wird an Tiere verfüttert und bleibt somit im Kreislauf der Nahrungsmittelproduktion erhalten. Rund 20 Prozent wird energetisch zu Biogas und stofflich zu Kompost verwertet. Nur ein geringer Anteil von unter 3 Prozent wird in KVA thermisch verwertet. Verschenkte und deklassierte Ware machen mit weniger als 1 Prozent einen sehr kleinen Anteil aus.
Detailhandel
Im Rahmen dieser Studie wurden unter dem Ausdruck «Grossverteiler» ausdrücklich die Filialen von Coop, Migros, Aldi, Lidl, Denner, Spar und Volg zusammengezogen. Gesamthaft fallen gemäss der Studie im Schweizer Detailhandel und bei Grossverteilern rund 100‘000 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr an. Davon wären rund 95 Prozent vermeidbar. Der Grossteil dieser Abfälle entfällt auf die Kategorie «nicht verkaufte Lebensmittel». Dabei handelt es sich hauptsächlich um Verteilverluste (Überangebot, Lagerung resp. Lagerplanung und Transporte).
Die Entsorgung der geniessbaren und deshalb vermeidbaren Lebensmittelabfälle von 95‘000 Tonnen belastet den Detailhandel gesamthaft mit schätzungsweise 10 Mio. Franken pro Jahr (Vergärung und Kompostierung). Rechnet man die Warenkosten dazu und geht bei einem durchschnittlichen Warenkorb von 6.50 Franken pro Kilo aus, entsteht den Grossverteilern ein Schaden von über einer halben Milliarde Franken pro Jahr. Rund 97 Prozent der jährlich anfallenden Lebensmittelverluste im Gross- und Detailhandel werden gespendet, zu Tierfutterherstellung verwendet oder stofflich bzw. stofflich-energetisch verwertet. 3 Prozent werden aus seuchenmedizinischen Gründen in KVA thermisch entsorgt.
Gastronomie
Im BAFU-Bericht «Nahrungsmittelverluste im Detailhandel und in der Gastronomie in der Schweiz» wird der Bereich Gastronomie unterteilt in Restaurationsbetriebe und Hotelküchen, Catering (Flugverkehr), Medizinische und sozialmedizinische Einrichtungen, Schul- und Betriebsverpflegung sowie Kasernen. Der grösste Anteil fällt dabei auf die Restaurationsbetriebe und Hotelküchen. In der Schweiz fallen dort pro Jahr 290‘000 Tonnen Lebensmittelabfälle an, was pro Grossküche 7 Tonnen ergibt. Umgerechnet entspricht das 124 Gramm pro Mahlzeit, die sich aus Rüstabfällen und Speiseabfällen zusammensetzen. Für den gesamten Bereich der Gastronomie wird davon ausgegangen, dass die vermeidbaren Abfälle vorwiegend durch Verteilverluste (Es wird zu viel zubereitet) und Präferenzverluste (Tellerreste) entstehen. Rund 68 Prozent der gesamten Verluste bzw. maximal 200‘000 Tonnen pro Jahr sind vermeidbar. Umgerechnet 90 Prozent der jährlich anfallenden Lebensmittelverluste in der Gastronomie werden stofflich bzw. stofflich-energetisch verwertet und für die Herstellung von Biodiesel, Biogas und Kompost verwendet. Umgerechnet 10 Prozent werden in KVA thermisch entsorgt.
Die Entsorgung der geniessbaren und deshalb vermeidbaren Lebensmittelabfälle belastet die Gastronomie schätzungsweise mit 20 Mio. Franken pro Jahr (Vergärung und Kompostierung). Rechnet man die Warenkosten dazu und geht vom gängigen Wert von 5.50 Franken pro Kilo aus, entstehen der Gastronomiebranche Kosten von rund einer Milliarde Franken pro Jahr.
Privater Konsum der Haushalte
In den Schweizer Haushalten fallen jährlich rund 1 Million Tonnen Lebensmittelabfälle an, wovon mit rund 480 000 Tonnen knapp die Hälfte im Kehricht landet und thermisch verwertet wird. Rund 170 000 Tonnen der Lebensmittelabfälle werden separat gesammelt und stofflich zu Recyclingdünger oder Biogas verwertet. Die restlichen knapp 350 000 Tonnen werden entweder durch die Hauskompostierung entsorgt oder an Tiere verfüttert. Von den gesamten Lebensmittelverlusten wäre fast die Hälfte vermeidbar. Dies entspricht jährlich rund 60 kg Lebensmittelabfall, der pro Person im Haushalt vermieden werden könnte.
Hauptgründe für die hohe Menge an Food Waste aus Haushalten sind die fehlende Wahrnehmung der eigenen Lebensmittelabfälle, mangelndes Bewusstsein für den Wert von Nahrungsmitteln sowie unzureichendes Wissen über die Haltbarkeit, Lagerung und Methoden zur Resteverwertung. Die Analyse des BAFU zeigt weiter, dass eine gute Grünabfall-Infrastruktur der Gemeinden dabei hilft, den Food Waste der Haushalte bedeutend zu vermindern. Dies, da durch die separate Sammlung in den Haushalten die Sichtbarkeit der eigenen Lebensmittelabfälle erhöht wird.
Auswirkungen von Food Waste auf die Umwelt
Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist grundsätzlich für die Umwelt immer positiv, da deren Herstellung Ressourcen, wie Land, Wasser und Energie verbraucht, was sich negativ auf die Biodiversität und das Klima auswirkt.
Die Umweltbelastung einer Tonne Lebensmittelabfälle variiert aber stark je nachdem aus welchen Produkten sie sich zusammensetzt und wo sie in der Wertschöpfungskette anfällt. Lebensmittelabfälle sollen prioritär bei Produkten oder Produktkategorien vermieden werden, welche besonders hohe Umweltauswirkungen verursachen (siehe Tabelle) oder in grossen Mengen anfallen.
Prioritäten bei der Verhinderung von Lebensmittelabfällen | Produkte und Produktegruppen | |
---|---|---|
1 | Oberste Priorität (Produkte mit den höchsten Umweltauswirkungen) | – Rindfleisch – Kaffee & Kakao – Butter – übriges Fleisch, Fisch, Käse, Eier – Nüsse, Samen, getrocknete Früchte – Zitrusfrüchte, Bananen, Trauben – Produkte, die mit dem Flugzeug importiert werden |
2 | Hohe Priorität (Produkte mit hohen Umweltauswirkungen) | – pflanzliche Öle und Fette – Milchprodukte wie Joghurt, Quark, Rahm – Reis – Produkte aus fossil beheizten Gewächshäusern |
3 | Keine erhöhte Priorität | – übrige Produkte: Kartoffeln, Zucker, lokale und saisonale Früchte und Gemüse, Hülsenfrüchte, Brote und Backwaren, Milch/Molke |
Tabelle 1: Priorisierung von Produkten und Produktegruppen aufgrund deren Umweltauswirkungen. BAFU 2017
Lebensmittelabfälle am Ende der Wertschöpfungskette (Haushalte, Gastronomie, Detailhandel) weisen durchschnittlich eine höhere Umweltbelastung auf als solche die am Anfang der Wertschöpfungskette anfallen. Dies hängt damit zusammen, dass bei jedem Verarbeitungsschritt bereits Ressourcen wie Energie und Wasser eingesetzt werden und Lebensmittelabfälle anfallen. So kumulieren sich die Umweltauswirkungen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette. Die negativen Umweltauswirkungen von Food Waste können deshalb am besten vermindert werden, wenn dieser bei Lebensmitteln am Ende der Wertschöpfungskette vermieden wird.
Der Weg zu weniger Food Waste
Am 8. März 2013 hat der Bundesrat im Rahmen des Aktionsplans Grüne Wirtschaft eine Massnahme zur Verringerung von Lebensmittelabfällen verabschiedet. Darauf basierend ist unter anderem ein Stakeholderdialog durchgeführt worden und es sind erste Massnahmen umgesetzt worden.
Im Jahr 2015 hat die Schweiz gemeinsam mit mehr als 190 Staaten die UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Damit ist auch die Schweiz aufgefordert, bis 2030 die Nahrungsmittelverluste pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entstehenden Nahrungsmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferkette zu verringern (Ziel 12.3).
Mit der Annahme des Postulats Chevalley (18.3829) am 5.3.2019 hat der Nationalrat den Bundesrat beauftragt einen Aktionsplan zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auszuarbeiten. Dieser wird bereits bestehende und gegebenenfalls neue, freiwillige Massnahmen sowie flankierende Massnahmen seitens Bund beinhalten. Voraussichtlich 2024 soll evaluiert werden, ob die Massnahmen des Aktionsplans ausreichen oder ob Anpassungen notwendig sind.